Freitag, 12. April 2013

Wer kennt diese Künstler noch?



KARL GEISER - OTTO MÜLLER - TRUDI DEMUT

KÖNNTEN ZUR WELTKLASSE GEHÖREN 

DOCH WER KENNT DIESE KÜNSTLER NOCH?


Eine ganze Reihe der um 1900 geborenen Schweizer Bildhauer dürften zur Weltklasse gerechnet werden – wenn man sie nur wahrnehmen wollte! Jedes andere europäische Land würde solche Künstler feiern; in der Schweiz drohen sie der Vergessenheit anheim zu fallen. Warum nimmt sich nicht ein Museum unseres Landes dieser Lost Generation an? Einer, der sich gegen dieses Vergessen stemmt, ist der Architekt Ralph Baenziger. In einer Ausstellung im Güterbahnhof (Hohlstrasse  150 / 70 Zürich) zeigt Baenziger  noch bis Ende April das Lebenswerk des Bildhauerpaars Otto Müler / Trudi Demut und deren geistig-künstlerisches Umfeld. Es ist zu hoffen, dass diese Ausstellung weite Kreise zieht: sie sollte das Bewusstsein dafür wecken, dass wir drauf und dran sind, unersetzliche künstlerische Schätze und damit ein entscheidendes Stück unserer kulturellen Identität zu verspielen. Mich selbst hat die Ausstellung von Ralph Baenziger dazu inspiriert, das Wirken dreier Künstler - Karl Geiser, Otto Müller und Trudi Demut -  näher  zu beleuchten.      

Die Generation der um 1900 geborenen Bildhauer unseres Landes, die vor allem in Zürich tätig war, ist Geschichte, wäre von europäischer Bedeutung, wenn man sie bei uns nur wahrnehmen wollte. Wo aber ist das schweizerische Museum, wo die Galerie, die Dissertation, die umfassende Darstellung im Buch, die diesem Aufbruch Rechnung trägt? Jedes andere Land wäre auf eine solche kulturelle Leistung stolz, die Schweiz scheint sie vergessen zu wollen.

Warum man diese Generation gross nennen darf

Der Gründe solcher Geschichtsvergessenheit sind viele. Da ist zuerst unser kleinräumiger Kulturföderalismus, unsere Stadtstaatenkultur zu nennen, die nicht über den Zaun blickt, wobei  unter diesen Bedingungen nicht nur die um 1900 geborenen Bildhauer, sondern das künstlerische Schaffen der  Schweiz insgesamt leiden kann. Eine entschlossene zentrale, von <Bern> ausgehende Kulturpolitik gibt es kaum. Kommt dazu, dass die Bildhauerei eine sperrige Kunst ist, die Sammler sind
selten, ein Bildhauerwerk lässt sich kaum im Living Room aufstellen, und im städtischen öffentliche Raum drängeln sich die wirtschaftlichen Interessen, so dass die Kunst meistden Kürzeren zieht.

Jene Grossen, um 1900 Geborenen - zu nennen sind Hans Aeschbacher, Max Bill, Hans Fischli, Zoltán Kemény, Ödön Koch, Otto Müller, Paul Speck - wagten den Sprung in die reine Abstraktion, was  gleichzeitig heisst, dass sie eine zählebige Konvention überwanden, dass sie das von Bildhauern wie Bänninger, Haller, Hubacher stets noch beschworene, idealisierend-klassizistische Menschenbild verabschiedeten. Oder aber sie brachten einen neuen Realismus hervor wie Karl Geiser und Alberto Giacometti, wobei dieser bezeichnenderweise in Paris weltberühmt wurde.

Es gibt jedoch eine bis Ende April 2013 dauernde Ausstellung im Güterbahnhof an der Hohlstrasse 150 / 70 zu sehen, welche jener Geschichtsvergessenheit entgegen zu steuern versucht. Konzipiert und organisiert hat sie der Architekt Ralph Baenziger gezeigt werden in erster Linie die in seine Stiftung eingebrachten Werke von Trudi Demut und Otto Müller. Diese beiden lebten und arbeiteten Wand an Wand im Atelierhaus an der Wuhrstrasse 10. Eine Reihe schon renommierter oder aber aufstrebender Künstler, Gestalter, Schriftsteller, Intellektueller gingen bei ihnen ein und aus, bildeten in Zürich einen eigentlichen kulturellen Mittelpunkt;  auch dem versucht die Ausstellung Rechnung zu tragen.

Inspiriert von diesem ehrgeizigen Rekonstruktionsversuch will mein Beitrag  drei Werkbeispiele, die sich im städtischen Raum befinden, ins Bewusstsein rufen: 
  • das Arbeiterdenkmal von Karl Geiser auf dem Helvetiaplatz, 
  • den <Kopf im Gehäuse> von Otto Müller beim Völkerkundemuseum 
  • die Gestaltung des Werdplatzes von Trudi Demut. 


Kunst und Klassenkampf


Der Helvetiaplatz dient seit etwa 1890 vor allem linken Gruppierungen als Versammlungsort: hier findenArbeiterdemonstrationen und 1.Mai-Feiern statt; also sollte hier  nach dem Willen der Arbeiter auch ein Denkmal zu stehen kommen, das ihrer Präsenz Ausdruck verlieh. Der bürgerliche Stadtpräsident Sigmund Widmer musste diesem Begehren schliesslich Gehör schenken: 1952 schrieb der Stadtrat einen Wettbewerb für den Entwurf eines <Denkmals der Arbeit> aus. Von den elf geladenen Künstlern schwang Karl Geiser oben aus.

Niemand hatte mit Geisers unerbittlichem Perfektionsdrang gerechnet. Als der Künstler 1958 in seinem Atelier tot aufgefunden wurde, lag ausser Vorstudien lediglich ein unvollendetes Gipsmodell von 90 Zentimeter Höhe vor. Obwohl unvollendet, liess man es auf Drängen von Sigmund Widmer in Bronze giessen und um das Dreifache vergrössert am 1. Mai 1964 auf dem Helvetiaplatz einweihen. Derart sollte verhindert werden, dass ein anderes, von Werner F. Kunz geschaffenes Denkmal, wie es die Linke, besonders die Gewerkschaften, forderten,  auf den umstrittenen Platz gelangte. Das Werk von Kunz, das er <Prometheus> oder auch <Befreiung-Aufstieg> nannte, feiert den Arbeiter als Helden in der Art des sowjetrussischen Sozialistischen Realismus. Es wurde, da der Stadtrat den Helvetiaplatz mit Geisers Figurengruppe bereits in Besitz genommen hatte, auf dem Werdplatz aufgestellt – worüber noch zu reden sein wird.

Die unfertigen Stellen an Geisers Denkmal sind bei genauerer Betrachtung durchaus zu erkennen. Zum Beispiel strecken sich innerhalb der Vierergruppe Mutter und Kind zwei Armstümpfe entgegen; Geiser hatte für die Vollendung der Arme und Hände noch keine Lösung gefunden. Doch beeinträchtigen solche Unfertigkeiten den Gesamteindruck kaum.


In der Schweiz ein einmaliges Monument  


Die Skulpturengruppe suggeriert sowohl Kompaktheit als auch innere Dynamik. Geiser erreicht das, indem er jede einzelne Figur anders ausgerichtet hat. Der Arbeiter zuvorderst bleibt stehen; er schaut auf seinen Kameraden zurück, der, geradeaus schauend entschlossen voran schreitet. Die Figur der Mutter – sie führt an der einen Hand das Kind, mit der anderen hält sie eine Einkaufstasche – ist gegenüber den beiden Männern etwas zurückgesetzt, so dass der Eindruck entsteht, sie würden von diesen geschützt. Das Kind hat sich von den drei Erwachsenen abgewandt, es blickt neugierig in die ihm noch unbekannte Welt. Die Oberfläche der Bronze, aus dem die vier Figuren geschaffen sind, betont das Schwerblütige, Ungefüge der Gruppe. Die Bronze ist ungeglättet und dunkel gehalten, nicht auf Glanz poliert.

 Es gab linke Kreise, denen Geisers Denkmal zu zahm war. Wenigstens erkenne man an den <Dächlikappen>, dass es sich um Arbeiter handle, wurde gespottet, und man stiess sich daran, dass die Mutter wohl in die Migros einkaufen gehe. Man sah nichts als Idylle, wo man gern Kampf und Widerstand gesehen hätte.

 Solche Einwände sind meines Erachtens unhaltbar; sie werden von denen erhoben, die der Kunst keinen Eigenwert zugestehen, die sie lediglich als Instrument gelten lassen, um eine proletarische Ideologie vorzutragen. Man hätte etwa erkennen können, dass gerade auch ein vom Sozialismus beschworener Wert an Geisers Denkmal sichtbar wird, nämlich Solidarität. Da dieses nicht nur Vater, Mutter und Kind zeigt, da ein Dritter dazu gekommen ist, wird angedeutet, dass hier nicht einfach die Bande des Blutes gepriesen sind, sondern ein die Familie übergreifendes Zusammenstehen hervorgehoben wird.

Der von den Linken bevorzugte Heldenfigur von Kunz drängt sich als junger athletischer Mann auf, überlebensgross, nur mit einer Hose bekleidet, in breitbeiniger Pose; seine Hände sind gefesselt, aber er wird sie gleich sprengen. Derart befriedigte Kunz das Bedürfnis vieler Linken nach Überhöhung und Pathos. Hingegen hat sein Männerprotz in den achtziger und neunziger Jahren die Feministinnen provoziert, die ihn an empfindlicher Stelle wiederholt mit Farbe beschmiert haben.

Kunz’ < Prometheus>, der von linken Kreisen gegen Geisers Arbeitergruppe ins Feuer geschickt wurde, darf wie erwähnt als ein schweizerisches Beispiel des Sozialistischen Realismus gelten. Wenn aber Geiser über Realismus debattiere, hatte er etwas ganz anderes im Sinn, und er wusste, dass er mit diesem Konzept allein stand.  <Die Aufgabe, die ich mir gestellt habe, eine realistische Gruppe von Menschen in Arbeitskleidung zu machen, ist ungefähr das Gegenteil dessen, was heute nicht nur von den Kunstschulmeistern, sondern auch von jedem Familienwochenblatt als „heutige Kunst“ propagiert wird.> In einem unveröffentlichten Aufsatz von 1956 schrieb er: <Aber es geht nicht nur um Clowns, Kranke, Über- und Untermenschen, es gibt auch den ganz gewöhnlichen, normalen im Schweisse seines Angesichts und mit seiner Hände Arbeit sein Brot verdienenden Menschen, im Westen wie im Osten. Dieser ist weder der fehlerlose Held, wie ihn der Osten zu züchten versucht, noch jene Jammerkreatur, wie er im Westen oft dargestellt wird. er hat seine Fehler und Schwächen, Momente übermenschlicher Opferbereitschaft und Momente schauriger Vertiertheit (...) Ihn darzustellen, darin sehe ich die höchste und edelste Aufgabe der Kunst.> Als Karl Geiser sich an die Arbeitergruppe für den Helvetiaplatz wagte, schwebte ihm dieser sein <humaner Realismus> vor. Sein Freitod verhinderte jedes weitere Fortschreiten auf diesem verheissungsvollen Weg.

Wie der< Prometheus> mit dem Stäfener Handel zusammenhängt

Beflügelt von der Französischen Revolution hatten Stäfner Handwerker, Unternehmer und Freiberufliche eine Bittschrift an die Regierung von Zürich gerichtet, in er sie ihre demokratischen Rechte einforderten. Zürich antwortete am 5. Juli 1775 mit einem Einmarsch von 2000 Soldaten; die Verfasser des Memorials wurden streng bestraft; dennoch sollte es der Stadt auf die Dauer nicht mehr gelingen , das Begehren der Zürcher Landbevölkerung nach mehr Demokratie zu unterdrücken. An dieses Ereignis erinnert bis heute der <Patriot>, eine Bronzefigur, die 1889 am Hafen von Stäfa aufgestellte worden war. Werner F. Kunz, Stäfner Bürger, fiel eines Tages der marode Zustand des <Patrioten>  auf, und er gab sich selbst den Auftrag, ein neues Denkmal zu schaffen. Allein der Gemeinderat lehnte seinen <Prometheus> aus finanziellen Gründen ab, worauf ihn Kunz, von den Linken lautstark befürwortet, der Stadt Zürich zum Geschenk machte. Der Regierung war, wie schon dargelegt, das Geschenk nicht willkommen; auch dank dem Kalten Krieg liess es sich verhindern, es auf den Helvetiaplatz aufzustellen. Man schob den <Prometheus> auf den Werdplatz ab, wo er sich in unmittelbarer Nähe zum Restaurant Cooperativo durchaus zu Hause fühlen durfte. Das Cooperativo war 1905 von italienischen Einwanderern gegründet worden. Hier trafen sich Arbeiter und Intellektuelle: die Diskussion um Emigrantenprobleme und um eine linke Politik liess sich mit einer guten, nahrhaften Küche verbinden.

Trudi Demuts Stadtoase


Als Trudi Demut anfangs der achtziger Jahre mit der Gestaltung des Werdplatzes beauftragt wurde, anerbot man ihr, den an die vier Meter hohen <Prometheus> zu entsorgen. In der Tat passte dessen auftrumpfender Heroismus in keiner Weise zu ihrer eigenen diskreten künstlerischen Haltung. Sich  jedoch selbst als Linke verstehend, wollte sie den <Prometheus> nicht entfernt haben, da er ja an die Auseinandersetzung der Sozialisten mit den Bürgerlichen erinnert; sie liess ihn lediglich um einige Meter in den Hintergrund des Platzes versetzen.


Trudi Demuts Brunnenanlage bildet den Hauptakzent der  Platzgestaltung. Inmitten eines niedrigen, quadratischen Beckens erhebt sich ein ebenfalls niedriger Tisch, aus dem ein bronzener Wassermast fast drei Meter empor wächst, der in einer an den Ecken gerundeten Platte endet; von dieser aus rieseln dünne Wassersträhnen ins Becken herab. Dem Wassermast eignet etwas Organisches, er erinnert an einen Stängel und passt sich den Schatten spendenden Kastanienbäumen an. Zur Platzmitte hin unmittelbar neben diesem Wasserspiel hat Trudi Demut einen kleinen Brunnen gestellt, aus dem getrunken werden kann.

Die Künstlerin hat den Platz gegen die verkehrsreiche Stauffacherstrasse hin mit einem feingliedrigen Geländer abgegrenzt. Obwohl schlicht ist dieses Geländer in der ganzen Stadt einmalig; Trudi Demut hat es nach ganz bestimmten Massen eigens für ihren Platz anfertigen lassen. Zudem hat sie auf den typisch zürcherischen Ruhebänken bestanden, die immer seltener anzutreffen sind: Holzbänke mit  beidseits vier eisernen Beinen, zwischen denen sich der Löwe als heraldisch vereinfachtes Wappentier der Stadt spreizt.



Den vom Strassenverkehr umflossenen Werdplatz hat Trudi Demut in eine städtische Oase verwandelt – mit sparsamem gestalterischem Aufwand, bei dem sich das Einfache mit dem Exquisiten paart.

Hans Jonas hat in seiner Philosophie betont, dass Eingriffe in das hoch technisierte System unserer Gesellschaft möglichst klein gehalten werden müssten, da schon geringe Veränderungen weittragende Wirkungen zur Folge haben könnten. Diese Mahnung hat Trudi Demut als Künstlerin bei der Gestaltung des Werdplatzes beachtet.

Die Zukunft im Blick


Es zeugt von Kühnheit, dass Otto Müller im Park des Völkerkundemuseums einfach einen überlebensgrossen Kopf aus Bronze ohne den üblicherweise dazu gehörenden Körper hingestellt hat. Weltweit sehe ich ein einziges Parallelbeispiel: einige Kopfskulpturen der Osterinsel, über deren Sinn und Zweck die Wissenschafter bis heute streiten. Das Gottfried Keller-Denkmal von Otto Charles Bänninger beim Hafen Enge nähert sich der Skulptur von Müller nur scheinbar an. Bänningers aufgesockeltes Haupt des  Dichters, als Bildnis an sich schon auf einer anderen Ebene als Otto Müllers Kopf, steht in einem engen Kontext mit zwei weiteren Elementen des Denkmals: auf dem einen grossen Block sind die Titel von Gottfried Kellers Dichtungen eingemeisselt, der kleinere Block dient zum Sitzen und Verweilen.

Otto Müller und Trudi Demut gehörten zu den ersten Künstlern unseres Landes, in deren Werk Umweltprobleme eingeflossen sind, und seine rätselhafte Skulptur beim Völkerkundemuseum entfaltet nur dann ihren vollen Sinn, wenn man diese Voraussetzung in Betracht zieht.

Bis zu Beginn der siebziger Jahre lebte die Überflussgesellschaft des Westens in ökologischer Unschuld. 1972 erhob der Club of Rome, eine lose Vereinigung international bekannter Wissenschafter, mit seiner Studie <Die Grenzen des Wachstums> eine erste warnende Stimme. Sie wurde kaum gehört; in einer kurzen Phase der Benzinknappheit verstand man sich zur Einführung einiger autofreien Sonntage – eine nur eben symbolische Massnahme. die bald wieder abgeschafft wurde. Otto Müller hingegen hat solche Anzeichen einer heraufkommenden Krise ernst genommen. Bestärkt durch die populärwissenschaftlichen Fernsehsendungen von Hoimar von Ditfurth, verfasste er 1976 die  Schrift <Ich sehe eine menschlichere Welt>, in der sich vorsichtiger Optimismus und Sorge um die Zukunft unserer Erde einigermassen die Waage halten. Im  Dezember 1972 gelang es Apollo 17 auf dem Weg zum Mond die Erde in ihrer Ganzheit zu fotografieren; diese Aufnahmen unseres <Blauen Planeten> fanden weite Beachtung, und an sie knüpfte auch Otto Müller in seiner Schrift an.

< (...) diese Kugel. die da am Himmel steht, ist unsere Heimat im umfassendsten, im kosmischen Sinn. auf ihr können wir leben, sonst nirgends (...) Wir sind auf Gedeih und Verderb auf diese Kugel angewiesen, hier spielt sich alles ab.>   
   
Müllers Kopf im Park des Völkerkundemuseums ist in eine Würfelform hinein platziert, wobei nur deren Kanten materiell ausgeführt wurden, während die Würfelseiten leer gelassen sind. Derart ist ihm eine Position sozusagen auf Messers Schneide zugewiesen: er hebt sich so von der Parknatur ab als etwas Besonderes, und er steht, obwohl vom <Gehäuse> einigermassen geschützt, in der Offenheit.

Er ist so geschaffen, dass ihm ein Betrachter frontal begegnen muss. Dabei wird er in erster Linie von den Augen angezogen. Weit aufgerissen, suggerieren sie nie erlahmende Wachsamkeit; aber es bleibt unklar, was sie erblicken. Nehmen sie etwas Unerhörtes, nicht Einzuordnendes wahr – etwas Grossartiges oder etwas Furchtbares?

Zunehmende Verdunkelung

Man könnte auch sagen, der <Kopf im Gehäuse> blickt in eine ungewisse Zukunft mit grossen Chancen und grossen Gefahren, so wie sie Müller in seiner Schrift <Ich sehe eine menschlichere Welt> entworfen hat. Diese offene, trotz allem hoffnungsvolle Zukunftsschau - der Kopf im Gehäuse ist 1978 / 79 entstanden - hat sich Otto Müller nicht bewahren können. Später geschaffene Werke, wie <Die grosse Weinende> und <Der Aufschrei>, aber auch weitere aphoristische Aufzeichnungen belegen, dass sich sein Lebensgefühl mit zunehmendem Alter verdüstert hat.


Dr. Fritz Billeter, Kunstkritiker


Die Ausstellung    Trudi Demut / Otto Müller 

flankiert von Zeitgenossen und <Wuhrverwandten>, 

ist bis zum 30. April  täglich offen von 12 bis 19 Uhr

im Güterbahnhof, Hohlstrasse 150, 8004 Zürich